In über 3 Wochen wurde zum folgenden Thema geforscht und experimentiert. Bald wurde deutlich, dass es dem breiten Thema gut tut in mehreren Episoden betrachtet zu werden und so erarbeiteten wir in Diskussionen und Körperexperimenten, in Begegnungen von Tanz und Klängen, Musik und persönlichen Erfahrungen unterschiedliche Perspektiven, die uns wesentlich erschienen sind. Es ist ein work in progress und wird hoffentlich in Bälde fortgesetzt.
Wir widmen uns in dem Stück Valve dem Verlust des Zustandes »Unbekannt« in unserer Gegenwart und möglichen Folgen, die daraus resultieren.
Zum Beginn der Überlegungen stand das Gefühl eines Verlustes.
- A) Viele unserer Möglichkeiten zur Kommunikation haben unsere Einschätzung von »Tiefe« verändert, mit der wir uns einer Sache, einem Thema oder auch anderen Menschen widmen. Wir pflegen Kontakte virtuell und glauben nach dem Lesen von ein paar zusammenfassenden Zeilen im Internet einen Überblick über ein Thema zu bekommen. Selten ist uns dabei die Reputation der AutorInnen bekannt.
- B) Innerhalb von wenigen Jahrzehnten haben fundamentale Umgangspraktiken unserer Gesellschaft an Wert verloren. Die Kirchen werden leer, die Feste weltlich, Traditionen landen in Schaufenstern. Überlieferte Auseinandersetzungen mit großen Themen wie Tod, Geburt, Moral, Schande, Hoffnung, etc. treten in den Hintergrund und werden durch Alternativen ersetzt, die man sich ohne wesentliche geografische wie zeitliche Bezüge aneignet. (Sie entstammen dem anderen Ende der Welt, geschichtlich und kulturell isoliert).
»Hic sunt dracones« hat man früher in Landkarten auf die Gebiete geschrieben, wo man nicht wusste, was dort zu finden ist. »Hier sind Drachen« wurde zum Synonym für das Unbekannte, denn es war eine große Aufgabe, sich dem zu stellen, was niemand kannte. Es kann heute der Eindruck entstehen, dass durch den vielseitigen Zugang zu zusammengefassten Informationsbrocken diese Lücken nicht mehr akzeptiert werden. Sie werden aufgefüllt und interpoliert, sie werden zu Ende interpretiert oder auch von Maschinen zu Ende gedacht und als Vorschläge bereits angeboten.
Das Unbekannte hat eine gewachsene, soziale Funktion. Es ist gleichzeitig Grund für Hoffnung als auch für Angst. Es ist die Basis von Traditionen und von Religionen. Mit Unbekanntem hat man Gesellschaften gesteuert, sie manipuliert und auch beruhigt. Das Unbekannte ist demnach eine Form der Energie und es ist gleichzeitig das Ventil, um den Druck, den diese Energie erzeugt, heraus zu lassen. Diese Doppelfunktion macht es so interessant. Diese Rolle ist Basis des Stückes.
Concept & Choreography: Cornelia Voglmayr
Performers: Masako Matsushita, Liza Magnan, Pawel Dudus
Music: Marie Spaemann, Peter Kollreider
Text: Peter Kollreider